altmarkgeschichte

Datenbank Historischer Grabmäler der Altmark





Catharina Schenk von Flechtingen

von Bülow

Sterbedatum:
19.04.1575
Konfession:
evangelisch
Ort:
Flechtingen
Standort:
Kirche
GPS:
11.142038 - 52.195482

Beschreibung:
Gemäldeepitaph für Kersten d.Ä. Schenk von Flechtingen und seine Familie, an der Südwand des Kirchenraums östlich der Kanzel aufgehängt. Öl auf Leinwand; der farbig gefasste Rahmen im Stil der Renaissance vielleicht ebenso sekundäre Zutat wie die innere Rahmenleiste aus ungefasstem Weichholz. Die Malerei weist an mehreren Stellen Beschädigungen und Abplatzungen auf. Hauptmotiv der Darstellung ist eine Kreuzigungsgruppe vor einer hügeligen, eher angedeuteten und völlig unbelebten Landschaft unter einem dunklen Himmel. Im Mittelgrund ein zinnenbewehrter Mauerzug, der nach rechts zum Vordergrund hin abknickt. Innerhalb dieser Mauerzüge die drei Kreuze, vor denen Kersten Schenk nebst Familie knieend in Gebetshaltung wiedergegeben ist. Die männlichen Mitglieder der Familie entsprechend tradierter Konvention links (heraldisch rechts), die weiblichen Familienmitglieder rechts unter dem Kreuz. Links hinter dem Familienoberhaupt die im Maßstab deutlich verkleinerte Darstellung eines gesattelten Pferdes mit der Beischrift "Der Bodenhäuser".
Alle Personen sind mit identifizierenden Beischriften versehen; deutsche Passagen in Fraktur, lateinische in Kapitalis. Links: "Kärsten Schenke Bar[werts] S[eliger] S[ohn] AETATIS SVE 48". Sodann für die überlebenden Söhne des Verstorbenen: "Wärner Schenke" - "Christof Schenke" - "Kärsten Schenke" sowie die beiden im Kleinkindalter verstorbenen Söhne "Rudolff Schenke" - "Barwert Vicke Schenke". Rechts: "Cathrina v. Bülau K[ersten] S[chenken] E[heliche] H[aus] F[rau]". Daran nach links anschließend: "Anna Schenkin" - "Angnesa Schenkin" - "Leue Schenkin" - "Margreta Schenkin" -"Elisabeth Schenkin", dazu zwei als verstorben gekennzeichnete Töchter "Dorothia Schenkin" und "Margreta Schenkin" sowie ein namensloser weiblicher Säugling.
Drei weitere, frei in den Raum gestellte Inschriften; zunächst beiderseits des Kreuzes Christi: "Das bluhtt Jesu Christi des sohns Gottes machett uns rein von allen sünden", dann unten links (Kersten Schenk zugeordnet): "O Jesu du lebendiger Gottes sohn, erbarm dich über mich armen sünder" sowie unten rechts, optisch bezogen auf Catharina v. Bülow: "O Herr Jesu dein bin ich todt vndt lebendich". Die Darstellung der Familienmitglieder ist wie die gesamte Komposition flüchtig und ohne höheren künstlerischen Anspruch. Dieser Sachverhalt wird nachvollziehbar, wenn man davon ausgeht, dass es sich bei dem vorliegenden Gemälde um die Nachahmung einer gleichfalls eher schwachen Vorgängerarbeit in Form eines Tafelbildes handelt. Zum besseren Verständnis sei der Werdegang des Objekts hier kurz zusammengefasst: Nach dem Tode seiner ersten Gemahlin Agnesa v. Bodendieck ließ Kersten d.Ä. Schenk um 1551 ein Gemäldeepitaph fertigen. Die flüssig und durchaus virtuos - möglicherweise in Tempera - gemalte Komposition zeigt das Motiv der "Kleinen Kreuzigung" d.h. den gekreuzigten Jesus mit Maria und Johannes als Begleitfiguren. Im Vordergrund die Stifterfamilie; links im Bilde bereits damals das gesattelte Streitross, allerdings mit dem Namenszusatz "Der Rhor". Dies Stück dürfte zunächst in der Flechtinger Kirche gehangen haben. Nach dem Tode des älteren Kersten Schenk 1571 gab seine Witwe eine Neufassung in Auftrag. Hierzu wurde die Tafel kurzerhand rückseitig bemalt. Damals entstand eine Fassung, die dem hier besprochenen Gemälde auf Leinwand bis in seine gestalterischen Details bereits sehr nahe kam. Mit der Errichtung des steinernen Epitaphs für die Eheleute Schenk dürfte das den künstlerischen Ansprüchen der Folgegeneration kaum genügende Gemälde aus dem Kirchenraum entfernt worden sein. Zu einem unbekannten Zeitpunkt nahm es schweren Schaden in Gestalt eines entstellenden langen Risses, so dass man sich entschloss, die gleich nach 1571 entstandene Fassung kopieren zu lassen, wobei die gesprungene ältere Tafel nicht unterging, sondern rückseitig in den Rahmen der textilen Nachfolgerin eingefügt wurde. Stilkritische Erwägungen (so u.a. die nicht mehr "verstandene" und daher uminterpretierte Frauenkleidung der Zeit um 1570, vor allem aber die Gestaltung der Wappen mit ihren zum reinen Barockornament mutierten Helmdecken in den hochovalen, umkränzten Kartuschen legen für die Kopie eine Entstehung zwischen etwa 1630 und 1650 nahe, wobei der zwischenzeitliche Standort des Objekts unklar bleibt. Vielleicht bietet die neuerliche Inbesitznahme des Hauses Flechtingen durch den jüngeren Werner Schenk im Jahre 1632 einen zeitlichen Anhaltspunkt (LASA, E 76, Nr. 168, ad 1629-32). Neben anderen, nachweislich arg zugerichteten Ausstattungsstücken mag auch das zuvor vielleicht ins Schloss übernommene Gemälde während der Wallensteinischen Okkupation Flechtingens (1629-1632) den beschriebenen Schaden genommen haben, den man zwar nicht zu beheben, aber durch die Kopie wenigstens zu kaschieren vermochte.
Als Hildebrandt 1868 seine "Grabsteine und Epitaphien" publizierte, war das Stück jedenfalls noch nicht in die Flechtinger Kirche anzutreffen; für 1885 erwähnt jedoch Hermann Willing, dass man im Zuge der damaligen Kirchenrenovierung die damals erst "entdeckte" hölzerne, doppelseitig bemalte Rückseite von der textilen Schauseite abgelöst habe; erstere kam offenbar aufs Schloss, wo sie Parisius 1897 unter den Familienbildern erwähnt (ders., S. 215). Nach 1945 gelangte diese Tafel in das kulturhistorische Museum Magdeburg, wurde zu Beginn des neuen Jahrtausends ohne vorhergehende Dokumentation restituiert und ist seitdem Privatbesitz. Die Kopie des 17. Jahrhunderts verblieb nach 1885 in die Flechtinger Kirche, wo sie bis heute zu sehen ist.


Literaturquellen:
Zu den Personen: Bernd-Wilhelm Linnemeier, Leveke von Mengersen geb. Schenk von Flechtingen (1564-1644) – eine altmärkische Adelige im weserländischen Exil, in: 82. Jahresbericht des Altmärkischen Vereins für vaterländische Geschichte zu Salzwedel e.V., 2012, S. 31-88; hier: S. 40-43. Zum Objekt: Auf steinigem Grund – Flechtinger Chronik des Pastor Willing mit Fotografien von Albert Jennrich, hrg. anlässlich der 1050-Jahr-Feier von Flechtingen durch die Evangelische Kirchengemeinde Flechtingen, Haldensleben 2011, S. 40 mit Hinweis auf die 1885 entdeckte "Doppelwandigkeit" des Gemäldes; Irene Heinecke/Heimo Reinitzer, Flechtingen - Seine evangelische Kirche und ihre Ausstattung, Altenburg 2015, S. 68-69 mit guter Abbildung, jedoch offenkundigen Problemen bei der Auflösung von Abbreviaturen sowie unfreiwillig-komischer Fehldeutung des Pferdenamens "Der Bodenhäuser", den man - obwohl er keinerlei paläographische Schwierigkeiten bereitet, als "Bodenhäuer" liest, dessen Namensträger die Eigenschaft besessen habe, mit seinen Hufen den Boden zu zerstampfen. Dass Reitpferde im 16. Jahrhundert vielfach nach ihren Züchtern benannt wurden (Bodenhausen und Rohr sind bekannte Adelsnamen!) scheint ein Sachverhalt, der dem sich kenntnisreich gebenden Autor verborgen geblieben ist. Auch hängt in der Flechtinger Kirche keineswegs das Original des Epitaphbildes (=die doppelt bemalte Tafel), sondern die auf Leinwand gemalte Kopie.
Dehio, Handbuch der dt. Kunstdenkmäler, Sachsen-Anhalt I, bearb. von Ute Bednarz und Folkhard Cremer, München-Berlin 2002, S. 219 (mit unzutreffender Nennung eines gewissen "Rudolf Schenck" als Hauptfigur sowie fehlerhafter Angabe zur Zeitstellung "1704").

Text und Foto:
Bernd-Wilhelm Linnemeier, August 2017.