altmarkgeschichte

Datenbank Historischer Grabmäler der Altmark





Jacob von Schenck

Braunschweig-Lüneb. Hauptm. der Infanterie

Sterbedatum:
12.02.1732
Konfession:
evangelisch
Ort:
Flechtingen
Standort:
Kirche
GPS:
11.142038 - 52.195482

Beschreibung:
Hängeepitaph von 1733, weißer und schwarzer Marmor sowie Alabaster(?), teilweise dezent farbig gefasst; abgesehen von kleineren Substanzverlusten in gutem Erhaltungszustand. Standort: Mitte der Kirchenraum-Südwand. Über einem flachen, dreifach verkröpften Gesims erhebt sich als Unterbau ein reich profilierter Sockel in Form eines Sarkophags, der seinerseits eine leicht überlebensgroße Büste des Verstorbenen von hoher bildhauerischer Qualität trägt. Die Figur des Jacob Schenck in frontaler Ansicht bei leichter Rechtsdrehung des Kopfes und in lebendig-bewegtem Gestus des rechten Armes mit nach oben deutendem Zeigefinger der Hand wiedergegeben; der linke Arm hinter dem Rücken verborgen. Schenck trägt den leichten Offiziersharnisch jener Zeit, der durch einen die Schultern und den linken Oberarm verhüllenden Umhang in antikisierendem Stil bedeckt ist. Im Gegensatz zu den modischen Gepflogenheiten der Zeit ist er - auch hier in militärischer Attitüde - ohne Perücke mit seinem natürlichen Haupthaar wiedergegeben. Die die Brust schmückende Kette mit angehängter Schaumünze vielleicht ein Hinweis auf seine militärischen Leistungen in den Türkenkriegen, so u.a. im Dienste der Republik Venedig während der unglücklichen Verteidigung von Candia gegen die osmanischen Eroberer im Jahre 1669.
Beiderseits hinter der Portraitbüste hervorwachsend ein feingearbeitetes Arrangement militärischer Trophäen; hinter der figürlichen Komposition, vom Hauptgesims ausgehend, der rahmende architektonische Aufbau aus flachen Pilastern unter einem eingezogenen, stark profilierten Rundbogen. Zu Seiten der zentralen Szenerie zwei weibliche Figuren: Links stehend die Kreuz und Kelch tragende Personifikation des Glaubens; rechts in sitzender Haltung die geflügelte Fama (vgl. das Wulffen-Epitaph in Stegelitz; s.u.), deren Posaune offenbar verlorengegangen ist.
Die beiden auf den Einzügen des oberen Abschlussbogens sitzenden Putten tragen mit Krone und Pokal Symbole für den Lohn eines verdienstvollen Lebens. Gleichsam über dem Ganzen schwebend eine ehemals achtstrahlige Wolkengloriole mit dem Familienwappen Schenck, die ihrerseits von einem schwebenden Putto bekrönt wird, der noch im späten 19. Jahrhundert einen - inzwischen verlorenen - Palm- oder Lorbeerzweig in Händen hielt. Den drei Symbolen der Vollendung, d.h. der Krone, dem Pokal und dem Palm- bzw. Lorbeerzweig gilt die hinweisende Geste der rechten Hand des Dargestellten.
Der trapezoid angelegte Unterhang des Epitaphs, links und rechts von Engelsköpfen flankiert und von Bandelwerk umrahmt, trägt die Vitentafel mit ihrer ausführlichen Inschrift in barocker Fraktur sowie kursiven Anteilen:

"Ehren Denckmahl
des Hochwohl gebohrnen Herrn
Herrn Jacob von Schencken
S[einer] Königl[ichen] Maj[estät] in Preußen Erb Schatzmeisters in der ChurM[ark]
Brandenb[urg]
und Erb Schencken im Fürstenthum Halberstadt
auch ehemaligen Hochfürst[lich] Braunschweig Lüneburg[ischen] Hauptmanns bey der
Infanterie
Erb Herrn auff Flechtingen, Dönstedt, Böddensell und Domersleben
Inhabern des Fürst-Gräfl[ich] Mansfeld[ischen] Amts Leinbach
und seines Hochadelichen Geschlechts Senioris,
eines tapfferen Soldaten, klugen und geseegneten Haußwirth Ehrwürdige[n]
und beglückten Greises, dabey rechtschaffenen Patrioten u[nd] Christen,
der geb. den 27. Jun. 1643, von 1663. bis 1671 in Kriege insonderheit wie-
der die Türcken tapffere dienste gethan. 1676 mit Fräul[ein] Dor[othea] Elis[abeth] von
Kisleben
sich vermählet, mit derselben 14. Kinder gezeuget, von 14. Nepoten Groß-
vater, und von 9 Pronepoten Ältervater worden und den
12. Februar a[nno] 1732. seelig verstorben deßen Leichnam in
dieser von ihm neu erbauten Kirche untern Thurne ruhet".
Seitlich der Inschrift sowie auf dem umgebenden Bandelwerk die ehemals sechzehnstellige Ahnenprobe für Jacob von Schenck, bestehend aus kleinformatigen, durch zugehörige Schriftbänder gekennzeichnete Vollwappen (allerdings mit zumeist verlorenen Helmzieren), die wohl in Alabaster geschnitten und mit dem Korpus verdübelt wurden. Ihre Reihung erfolgte (wie u.a. beim Kupferstich-Portrait des Gustav Adolf v. der Schulenburg-Emden 1632-1691) in ungewöhnlicher Weise von unten nach oben, entspricht aber ansonsten exakt den tradierten genealogisch-heraldischen Ordnungsprinzipien. Sie liest sich folgendermaßen: Links (väterlicherseits, heraldisch rechts) 1. [fehlt; zu ergänzen: Schenck], 2. Schulenburg, 3. Bülow, 4. Veltheim, 5. Wenckstern, 6. Marenholtz, 7. Quitzow, 8. Schwicheldt. Rechts (mütterlicherseits, heraldisch links) 1. Krosigk, 2. Schulenburg, 3. Alvensleben, 4. Hahn, 5. Hoym, 6. Bartensleben, 7. Quitzow, 8. Maltzan.
Zur kunstgeschichtlichen Bewertung: Das in seinen Proportionen überaus gelungene Flechtinger Epitaph für Jacob Schenck lässt sich anhand stilkritischer Vergleiche dem Œvre des während der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts offenbar ebenso gefragten wie produktiven Magdeburger Bildhauers Johann Jakob Hennicke zuordnen. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang vor allem das durch Hennicke signierte Epitaph für Christian Wilhelm v. Münchhausen von 1742 in Möckern, das dem Flechtinger Stück vielleicht noch näher kommende Epitaph für Werner v. Wulffen in Stegelitz von 1744 (beide Kreis Jerichower Land) und das bisher in diesem Zusammenhang kaum diskutierte Lethmate-Epitaph von 1714 im Magdeburger Dom. Auch auf das Epitaph für den 1729 verstorbenen Wolf Christoph v. Hackeborn in Bahrendorf (Bördekreis) ist angesichts seiner Entsprechungen zu dem Flechtinger Epitaph – etwa der Porträtbüste über rhomboidem Unterhang als Vitentafel und der dort seitlich angeordneten Ahnenprobe - nachdrücklich hinzuweisen. Der Typus des Hängeepitaphs mit beherrschender Porträtbüste des Verstorbenen auf sarkophagartigem Sockel lässt sich allerdings nicht auf das künstlerische Schaffen des Johann Jakob Hennicke eingrenzen: So findet sich etwa unweit Berlins mit dem Grabmal des preußischen Generals und Gouverneurs von Küstrin, Otto Frhrn. v. Schlabrendorff (*1650 †1721) in Groß Machnow (Kreis Potsdam-Mittelmark) ein weiteres eindrucksvolles Stück dieser Grabmalsgattung, welches aber, trotz aller konzeptionellen Entsprechungen und hoher Qualität in seinen gestalterischen Details deutliche Unterschiede zu den Arbeiten Hennickes sichtbar werden lässt.

Zur Person:
Jacob Schenck, zu dessen Lebzeiten sich anstelle des tradierten Geschlechtsnamens ohne Adelsprädikat die sprachlich problematische Namensvariante "von Schenck" einbürgerte, war der zweitjüngste Sohn des Werner Schenk von Flechtingen (*14.12.1597 †1.5.1667) und der Sophia von Krosigk a.d.H. Beesen (†1688). Nach kurzem Aufenthalt an einem der Anhaltinischen Fürstenhöfe trat er 1663 in den Militärdienst des Hauses Braunschweig-Lüneburg und kam in Ungarn zu seinem ersten Einsatz gegen die Türken. 1669 nahm er - diesmal im Dienste Venedigs - am unglücklichen Feldzug zur Verteidigung Candias teil und fand nach seiner Rückkehr von dort als Kompanieführer bei der Belagerung Braunschweigs Verwendung. 1671 nahm er seinen Abschied und widmete sich fortan der Konsolidierung seiner Güter. Im Zuge der brüderlichen Besitzteilung war ihm Flechtingen zugefallen; in den folgenden Jahrzehnten gelangte er durch Erbschaft wiederum in den Besitz sämtliche Familiengüter, nachdem seine älteren Brüder zwischen 1685 und 1705 allesamt erbenlos verstarben. Er erwarb von der gleichnamigen Nebenlinie außerdem noch das Gut Böddensell. Die einem Neubau gleichkommende und 1727 abgeschlossene Renovierung der Flechtinger Kirche ist sein Verdienst.
Im Jahre 1654 - also noch zu Lebzeiten seines Vaters - war dem Geschlecht aus noch zu klärenden Gründen das Erbkämmereramt der Kurmark genommen worden; die Gebrüder Schenck setzten es durch, dass der Familie im Jahre 1670 statt dessen das kurmärkische Erbschatzmeisteramt verliehen wurde.

Literaturquellen:
Zum Objekt: Heinrich Adolf Matthias Hildebrandt, Die Grabsteine und Epitaphien adeliger Personen in und bei den Kirchen der Altmark [...], Gardelegen 1868, S. 82-83 (Angaben zur Ahnenprobe problematisch); Ev. Kirchengemeinde Flechtingen (Hrg.), Auf steinigem Grund - Flechtinger Chronik des Pastor Willing, Haldensleben 2011, S. 74-75 (dort u.a. zutreffende Deutung des Gestus bei der Portraitbüste); Irene Heinecke/Heimo Reinitzer, Flechtingen - Seine evangelische Kirche und ihre Ausstattung, Altenburg 2015, S. 96-99 (u.a. mit peinlicher Fehlinterpretation des "Zeigegestus" der rechten Hand als Hinweise auf die Rolle des Dargestellten "als Vertreter der irdischen Justitia und ein gestrenger Herrscher" sowie der als Insignie des (seit 1654 nicht mehr durch die Schencken bekleideten!) "Kämmereramtes" der Kurmark missdeuteten Halskette und hilfloser Wiedergabe der in ihrer Funktion unverstandenen Ahnenprobe); Dehio, Handbuch der dt. Kunstdenkmäler, Sachsen-Anhalt I, bearb. von Ute Bednarz und Folkhard Cremer, München-Berlin 2002, S. 219 (summarische Beschreibung). Zur kunsthistorischen Einordnung u.a.: Ernst Wernicke (Bearb), Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Kreise Jerichow, Halle 1898 (Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen, Heft. 21) S. 208, 233-234; Hans Erich Kubach und Joachim Seeger, Die Kunstdenkmäler der Provinz Mark Brandenburg (Kreis Teltow), Berlin 1941, S. 93, Abb. 300; Heinrich Bergner (Bearb.), Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Wanzleben, Halle 1912 (Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen, Heft. 31) S. 26.

Zur Person:
Peter Franz Eding, Der dem David von Gott gereichte Gnaden-Lohn der From[m]en in der Zeit, (...) bey dem Hochadelichen Leichen-Begängnis des (...) Herrn Jacob von Schencken, Sr. Königl. Majest. in Preussen Erb-Schatzmeisters in der Chur-Marck Brandenburg, Erb-Schencken des Fürstenthums Halberstadt, Sr. Hoch-Fürstl. Durchl. Ernst Augusts, Hertzog zu Braunschweig und Lüneburg (...) hochbestalten Hauptmannns bey der Infanterie, Erbherrn auf Flechtingen, Dönstedt (...) Inhabern des Fürst-Gräfl. Amts Leimbach (...) In gegenwärtiger Gedächtnis-Predigt zu Flechtingen den 3. April 1732 vorgestellet (Leichenpredigt mit ausführlichem Lebenslauf und 64-stelliger, in Teilen unzuverlässiger Ahnenprobe („Geschlechts-Ahnen des Herrn Jacobs von Schenck“) aus der Feder des Amtmanns Gottfried Behrnd in Eichenbarleben), Magdeburg 1732; LASA, E 76, Nr. 183; Ev. Kirchengemeinde Flechtingen (Hrg.), Auf steinigem Grund - Flechtinger Chronik des Pastor Willing, Haldensleben 2011, S. 69-78 (weitestgehend unter Rückgriff auf die o.g. Leichenpredigt). Porträts des Jacob von Schenck u.a. in den graphischen Sammlungen des Gleim-Hauses in Halberstadt und des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg.

Text:
Bernd-Wilhelm. Linnemeier, 2017

Foto:
Helge Hildebrand, Juli 2011